Von Wölfen, Waffen und Gesetzen

Von Wölfen, Waffen und Gesetzen

Von Wölfen, Waffen und Gesetzen

2 December, 2018

Mit Entsetzen musste die Welt zusehen, wie ein Mann mit einer Schnellfeuerwaffe in Las Vegas über 500 Menschen auf die Krankenbahre und über 59 Menschen in den Tod schickte. Eine schreckliche Tat, die eine weitere Narbe in der Seele hinterlässt. Nach dem Anschlag wurden sehr schnell Stimmen laut, die endlich eine Verschärfung des Waffengesetz in den Vereinigten Staaten fordern – zu. Recht. Es ist viel zu leicht in den USA, eine Waffe zu erwerben. Ob eine strengere Regulierung von Handfeuerwaffen dieses Attentat vereitelt hätte, bleibt reine Spekulation. Wie die NZZ in ihrem Artikel darlegte, sind Schnellfeuerwaffen bereits streng reguliert – wie es aber so ist gibt es bei jedem Gesetz Graubereiche und Schlupflöcher. Auch wissen wir heute, dass die Kriminalisierung eines Guts selten dessen Verschwinden beschleunigt noch den Gebrauch reduziert.

Dies soll jedoch kein Essay darüber werden, inwiefern Verbote sinnvoll sind. Eine stärkere Regulierung von Handfeuerwaffen in den USA ist sicherlich erstrebenswert. Das Argument für den Besitz wird meistens in Verbindung mit einem der einflussreichsten Liberalen hervorgebracht – John Locke. Die Declaration of Independence der Vereinigten Staaten ist in der Tat beinahe eine Kurzform von Lockes Second Treatise on Government. Nun, in diesem kurzen Artikel möchte ich genauer hinschauen und fragen, inwiefern ein Verbot oder eine starke Regulierung von Waffen durch den Staat aus einer liberalen Position tatsächlich gerechtfertigt werden kann oder eben nicht.

Von Wölfen

„Homo homini lupus est – Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ – die vielzitierte Aussage des englischen Philosophen Thomas Hobbes gewährt in dieser Frage erneut eine gewisse Aktualität und Einsicht. Es ist die Erkenntnis, dass Menschen einen „animus dominandi“ – das Verlangen nach Macht und Dominanz – in sich haben und fähig sind, anderen Menschen Schaden beizufügen. Nicht nur Hobbes, sondern auch Kant („Aus so krummem Holz, als woraus der Mensch gemacht ist, kann kein ganz Gerades gezimmert werden“) oder John Locke bilden ihre liberale Theorie des Gesellschaftsvertrags auf dieser Annahme: nicht die Gesellschaft und Sozialisierung macht den Menschen schlecht, sondern der Mensch hat diese Veranlagung seit Geburt in sich. Deshalb ist im Naturzustand weder Leben noch Eigentum gesichert, weshalb die Menschen einen Gesellschaftsvertrag schlossen und Regierung und Gerichte einsetzten. Eine Vertrag der das Eigentum jedes Bürgers schützen sollte – Leben, Freiheit und das Besitztum. Der primäre und prioritäre Auftrag einer Regierung ist folgend, dieses Eigentum seiner Bürger zu schützen – vor externen Gefahren aber auch innerhalb der Gemeinschaft – von Wölfen. Die Regierung und das Parlament erlassen Gesetze, welche die Gerichte anwenden, um dies zu garantieren und die Selbstjustiz der Bürger überflüssig machen. Natürlich, Locke schrieb ebenso, dass es Situationen gibt, in denen es nicht möglich ist Gerichte zu berufen und man sich selbst zu wehren hat – auch mit Waffen. Die Schrift wurde jedoch im 18. Jahrhundert verfasst und hat nichts mehr gemeinsam mit dem heutigen Staat und ausgebauten Militär- und Polizeiapparat. Die Regierung muss sich also die Frage stellen, welche Gesetze förderlich sind, dass sie ihre primäre Aufgabe und Verantwortung, den Schutz des Eigentums der Bürger, noch wahrnehmen kann. Stellt die steigende Anzahl an Handfeuerwaffen in Besitz der Individuen eine Konkurrenz zur Staatsgewalt dar und ist dies ein Anreiz zurück zur schnellen Selbstjustiz? Schliesslich dient eine Waffe, abgesehen von Sportwaffen, einem ganz bestimmten Zweck. Ist der Besitz von Waffen noch in einem kontrollierbaren Mass, sodass das Eigentum jedes Bürgers gesichert werden kann?

Von Waffen

Durch die sehr liberale Gesetzgebung und die wörtliche Interpretation des Artikels 2 der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, stellt die US-Regierung ihre Aufgabe selbst in Frage. Es gefährdet deshalb die grundlegende Aufgabe des Staates. Bei derart hohen Zahlen an getöteten Bürgern, inklusive Kinder, durch legal oder illegal erworbene Handfeuerwaffen macht sich die Regierung verantwortlich – sie hat durch ihre Gesetzgebung zugelassen, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr wahrnehmen kann. Zwischen 1999 und 2013 wurden ca. 180‘000 Personen in den USA durch Handfeuerwaffen ermordet, weitere 9‘000 unbeabsichtigt erschossen. Auf 100 Bürger gibt es 88 Handfeuerwaffen. Die Bürger müssen ihre Regierung in die Verantwortung nehmen und sicher gehen, dass sie ihre prioritäre Aufgabe wahrnimmt und Partikularinteressen in den Hintergrund stellt. Dies kann sie nicht mehr, wenn die Bürger, bis auf die Zähne bewaffnet, den Gesetzeshütern überlegen sind.

Von Pflichten

Im Hinblick auf das jüngste Massaker in Las Vegas ist eine Diskussion, ob die momentane Gesetzgebung zeitgemäss ist oder nicht, Pflicht. Inwiefern die Massnahme aussieht, ist jedem Staat selbst überlassen. Möglich wären öffentliche Einträge in ein Register beim Waffenkauf, Waffenscheine und Lizenzen, gesundheitliche und psychische Voraussetzungen für den Kauf sowie die Beachtung der Vorstrafen jedes Individuums. Schlussendlich töten Menschen andere Menschen, und die Waffen sind der Mittel zum Zweck – wie Hobbes sagte, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Ein weit unbekanntes Zitat Thomas Hobbes‘ ist „homo homini deus est“ – der Mensch ist dem Menschen ein Gott. Es ist zu hoffen, dass wir eines Tages auch zu dem Punkt gelangen. Für das, jedoch, braucht der Wolf Schranken und Richtlinien.

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